XMPP - Eine echte Alternative zu WhatsApp

Max Hohlfeld December 28, 2020 #XMPP #WhatsApp #FOSS #Datenschutz Kirschblüten

WhatsApp ist zuletzt durch eine Änderung der Nutzungsbedingungen1 wieder einmal negativ aufgefallen. Die Bedingung der EU2, unter welcher Facebook 2014 WhatsApp aufkaufen konnte, wurde nun mittlerweile ein zweites Mal gebrochen. Künftig sollen Daten von Facebook-Nutzern mit den Daten von WhatsApp-Nutzern verknüpft werden können. Seit 2016 wurden bereits Telefonnummern von WhatsApp-Nutzern mit Facebook-Profilen abgeglichen.3

Das ganze ist aus wirtschaftlicher Sicht natürlich genial. Doch aus der Sicht der Privatsphäre und des Datenschutzes ein Graus. Es gibt jedoch eine Möglichkeit, die Macht über seine Daten zu behalten. Ganz ohne Komfortverlust.

Instant Messaging an sich ist nicht komplett neu. Es existiert seit 1996, damals noch am PC, u.a. mit ICQ. Nur durch WhatsApp und dem Aufkommen von Smartphones hat es die breite Masse erreicht. Von Jung bis Alt, fast jeder hat ein Smartphone und fast jeder ist über WhatsApp zu erreichen.

Ich kann die Menschen verstehen, die sich dabei wohlfühlen. Sie brauchen keine Alternativen. WhatsApp funktioniert, ist kostenlos und die Daten - ach, was soll da schon groß schiefgehen? Die haben sie doch so oder so eh schon. Außerdem hab ich doch nichts zu verbergen!

Dass dies ein fataler Trugschluss ist, zeigt nicht zuletzt ein Zitat von Edward Snowden4:

Zu argumentieren, dass Sie keine Privatsphäre brauchen, weil Sie nichts zu verbergen haben, ist so, als würden Sie sagen, dass Sie keine Meinungsfreiheit brauchen, weil Sie nichts zu sagen haben.

Warum ist WhatsApp aus Datenschutzsicht schrecklich?

WhatsApp ist doch sogar Ende-zu-Ende verschlüsselt! Das stimmt. Doch wie auch schon das alte Sprichwort - Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser - suggeriert, wäre es natürlich besser, wenn wir diese Behauptung nachprüfen können. Das geht jedoch leider nicht, da WhatsApp ein in sich geschlossenes System ist.

Das bedeutet, dass sowohl der WhatsApp Client, der auf dem Smartphone läuft, als auch der WhatsApp Server, der die Clients miteinander verbindet, nicht quelloffen sind. Der Quellcode lässt sich also nicht inspizieren. Man ist also dazu gezwungen, den Aussagen zu vertrauen.

Aber sei einmal angenommen, dass die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sauber funktioniert. Nur die beiden Chatpartner können die Nachrichten lesen, WhatsApp bleibt außen vor. Selbst dann gibt es das Problem der Metadaten. Zu den Metadaten zählen z.B.:

Es zeigt sich: selbst ohne den eigentlichen Inhalt zu kennen, lassen sich durch die Metadaten schon viele Informationen zusammenstellen. Kommen dann noch die Inhalte der Nachrichten dazu, ist die Privatsphäre dahin.

Neben den erwähnten Punkten gibt es durchaus weitere Kritikpunkte (Telefonnummer als Identifier, unverschlüsselte Backups, Pushdienste von Google und Apple), welche aber den Rahmen dieses Artikels sprengen würden.

Alternativen gibt es wie Sand am Meer

Die Liste der Herausforderer von WhatsApp ist lang. Erschwerend hinzukommt, dass ein Nutzer mächtig aufpassen muss, um nicht wortwörtlich von dem Regen in die Traufe zu kommen. Darum hat sich Mike Kuketz die Mühe gemacht, die so genannte Messenger Matrix zu erstellen:
Messengermatrix
große Version

Sie vergleicht gängige Alternativen miteinander und soll dem Nutzer die einzelnen Faktoren der unterschiedlichen Systeme darstellen. Jedoch steht eins sicher fest. Die Lösung gibt es leider nicht. Bei jedem System muss man gewissen Nachteile in Kauf nehmen.

Meine Wahl lautet XMPP

Das Extensible Messaging and Presence Protocol ist ein offener Standard und existiert seit 2004. Der Standard beschreibt das Messagingsystem und die Grundfunktionen. Eine Implementation dieses Standards ist durch jedermann möglich. Dadurch gibt es eine Vielzahl an XMPP-Clients und XMPP-Servern. Zukunftssicherheit ist durch mögliche Erweiterungen des Protokolls gegeben.

XMPP kann mit E-Mail verglichen werden. Dort gibt es ebenso unterschiedliche E-Mail-Anbieter und E-Mail-Clients. Der Nutzer hat beispielsweise die Wahl, ob er sich bei GMX oder GoogleMail eine E-Mail Adresse registriert und ob er die E-Mails im Webbrowser, Outlook oder Thunderbird abruft. Beide Systeme sind dezentral.

Dezentralität meint, dass in einem System mehrere Server existieren. Diese Server haben jeweils Nutzer, welche durch die Föderation des Systems mit Nutzern von anderen Servern kommunizieren können. Durch die vielen Server entsteht u.a. eine höhere Ausfallsicherheit. Schaubild Dezentralität

Als Alternative für WhatsApp bietet sich XMPP aus folgenden Gründen an:

Wie funktioniert das jetzt genau?

Zuerst brauchst du einen XMPP-Account. Ich betreibe einen eigenen XMPP-Server (um die Kontrolle über meine Metadaten zu behalten) und erstelle dir gerne einen Account bzw. helfe dir bei der weiteren Einrichtung. Dein Account hat dann eine Adresse, unter der du zu erreichen bist. Diese ähnelt dem Format von E-Mail Adressen: name@server.de.

Im nächsten Schritt musst du einen XMPP-Client installieren. Wähle einen für dein System passenden Client aus der Tabelle aus:

BetriebssystemChatclientDownload
AndroidConversationsGoogle Playstore 2,39€
F-Droid kostenlos
Androidblabber.imGoogle Playstore kostenlos
F-Droid kostenlos
iOSMonalApp Store kostenlos
iOSChatSecureApp Store kostenlos
iOSSiskin IMApp Store kostenlos
Windows, Linux, MacOSGajimGajim kostenlos

Nur noch mit XMPP-Adresse und Passwort anmelden und schon kann es losgehen! Schreib mir gern eine Nachricht: max@tfld.de.

Was den Funktionsumfang der Apps angeht stehen zumindest die Android Clients WhatsApp in nichts nach. Sei es Audio- oder Videonachrichten, Bilder oder Standort teilen sowie Audio- und Videotelefonie. Natürlich alles verschlüsselt. Nur einen ebenbürtigen iOS Client gibt es noch nicht. Apple-Nutzer sind also im kleinen Nachteil.

Der Wandel beginnt beim Einzelnen

Um etwas verändern zu können, muss man immer einen gewissen Aufwand auf sich nehmen. Auch wenn es nur das Installieren einer neuen App ist. Die Wahrscheinlichkeit, WhatsApp mit einer Alternative komplett zu ersetzen, ist schwindend gering. Jedoch muss man irgendwo beginnen. Die Popularität eines Messengersystems steigt und fällt mit der Verbreitung in der Bevölkerung.

Ich hoffe, ich konnte durch diesen kurzen Einblick in die freie und sichere Art des Instant Messagings beim ein oder anderen das Interesse wecken, sich einmal mit dieser Alternative auseinanderzusetzen.

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